122
263/8
Riga den 5.
Octobr.
1758.

9
Geliebtester Freund,

10
Eben werde von unserm Freunde aufgeweckt; habe heute versucht ein

11
wenig aufzustehen, es hält aber noch schwer. Gott wolle mir bald wieder zu

12
meiner Gesundheit helfen, die ich zu einigen Kopfarbeiten nöthig habe.

13
Wie geht es Ihnen? Es thut mir leyd, daß Sie gleichfalls ein wenig haben

14
aushalten müßen. Ich wünsche Ihnen einen gesunden Winter, machen Sie

15
sich an demselben so viel Bewegung als möglich. Sparen Sie Ihren Schlaf

16
und schonen Sie Ihre Augen. Ihre
Diaet
mit Habergrütze wird Ihnen sehr

17
gut thun.

18
Was für ein Faullenzer im Lesen sind Sie gewesen? Nicht einmal

19
Klopfstocks Lieder zurück. Meine lateinischen Dichter bitte mir bald aus. Sie sollen

20
vll.
Hamburgisches Magazin, oder gesammlete Schriften, aus der Naturforschung und den angenehmen Wissenschaften überhaupt
(26 Bde., 1747–1763)
kein Hamburgisch
Magazin
bekommen, nicht ein gedruckt Flick von hier, biß

21
René Rapin, dessen Kapitel über Philosophie in den
Reflexions sur l’eloquence, la poetique, l’histoire et la philosophie
Hamann übersetzt hatte (
N IV S. 43–129
); nach A. Henkel fällt die Arbeit an der Übersetzung womöglich in die Zeit dieses Briefes.
HKB 130 ( I 281/33 )
alles zurück ist. An keinen
Rapin
zu denken, biß die andern Poeten wieder

22
zurück sind.

23
Vergeßen Sie nicht
Saurins
Catechismus; und mein lateinisch Wörterbuch?

24
Mein Bruder ist diesen Dienstag mit Fuhrmann Törner abgereißt. Mein

25
lieber Vater klagt über seine Saumseeligkeit; wie viel Ursache haben wir also

26
dazu? Er hat dafür schön Wetter Gott Lob! und kann so viel Tage eher hier

27
seyn als er Wochen später abgegangen.

28
Brief
nicht überliefert
Mein Kopfweh erlaubt mir nicht Ihren freundschaftl. Brief zu

29
beantworten, nicht einmal alle Stellen daraus zu verstehen. Weil ich mich gestern

30
leidlich befand, schrieb ich an Ihre junge Herren in
puncto
des Honigs
NB
in

31
Wachs und versuchte heute aufzustehen; es fällt mir aber noch zu sauer.

32
Gehen Sie keinen Schall nach; der Schall geht weder Sie noch mich an.

33
Wozu wollen wir uns ohne Noth beunruhigen. Seyn Sie ganz gleichgiltig.

34
Ich werde meinen Schritt so lange fortgehen, als er mir gefällt v ich sehe

S. 264
dadurch nützl. zu seyn. Von Urtheilen, von Erkenntlichkeit ist hier nicht die

2
Rede. Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß wir unsern Nächsten um Gottes

3
Willen dienen müßen v daß alle Freundschafft die wir von andern genießen,

4
weder eine Würkung noch ein Verdienst unserer ist, sondern von ihm kommt.

5
Wenn wir dies glauben, so haben wir nicht nöthig unzähl. viele Dinge zu

6
wißen, zu vermuthen, zu errathen, zu argwohnen
e. g.
wie uns. Kleinigkeiten

7
aufgenommen werden, was die Absichten bey anderer Beyfall v Gunst

8
Bezeigungen sind.

9
Aeneas
Sylvius
der Pabst
Pius II.
Pasqvill auf den Adel steht in meiner

10
Hamann,
Beylage zu Dangeuil
, N IV S. 235/39, ED S. 383
Beylage zu
Dangeuil
angeführt. Leben Sie wohl biß auf beßere Gesundheit

11
v lieben Sie mich als Ihren aufrichtigen Freund

12
Hamann.


13
Vmtl. von George Bassas Hand:

14
Liebster Freund; Ich schreibe dieses im beysein ihres Herrn Bruders und HE

15
Hamans und daß bey einer Taße Coffe, um unsern Freund welcher fast bettlägerig

16
ist, zu trösten. Meine wenige Geschäfte die ich auch hier habe machen mir nichts

17
destoweniger viele Sorgen, und ich weiß fast selbsten nicht wenn zu stande kommen

18
Kufer
vll. Koffer oder Kufen (für Schlitten)
werde; der Himmel sey mein Mitwerber, sonst kommt der arme um seinen ehrlichen

19
Nahmen. Peltz und Kufer wenn der Preiß nur nicht gesteuert wird, werde für

20
Sie Liebster Freund mit vielem Vergnügen besorgen.

21
Palie Grisette
blaßgrau
Eine dringende Bitte die ich an Sie habe, ist diese vor alles andre, daß Sie ihren

22
HE I & B.
nicht ermittelt
HE Bruder bey dieser Gelegenheit erinnern um die 24. ellen
Palie
Grisette anstatt des

23
Stoffes aus HE I & B. Bude zu nehmen, vergeßen Sie es doch ja nicht Liebster

24
Freund, die Frau Schwester ist ganz
chagrin
sie glaubt mann vernachläßiget ihre Bitte.

25
Salfiette
vll. als witzige falsche Aussprache von Serviette
Sie wüßen wohl wie viel Angst diese
commission
mir schon verursacht hat.
a
propos

26
die Salfiette wird unausbleiblich
citi
ret. Leben Sie wohl liebster Freund, ich umarme

27
vmtl.
George Bassa
Sie und bin nach einem herzl. Gruße von der Frau Schwester p ich bin mit aller

28
aufrichtigkeit Der ihrige
B.


29
Adresse mit rotem Lacksiegel:

30
à Monsieur / Monsieur Lindner mon ami / à / Grünhoff.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4 (5).

Bisherige Drucke

ZH I 263 f., Nr. 122.

Zusätze fremder Hand

264/14
–28
Vmtl. George Bassa