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19.11.1755
Riga
am Tage Elisabeth 755.

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Herzlich Geliebteste Eltern,

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Gott schenke Ihnen Gesundheit und Stärke. Ich hoffe, daß meine Mutter

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schon für die Erfüllung dieses Wunsches dem Höchsten wird danken können.

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Ich befinde mich jetzt in einer eigenen Verlegenheit, die ich Ihnen herzlich

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Geliebteste Eltern mittheilen will, weil selbige vielleicht zu Ihrer Zufriedenheit

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und meiner Rechtfertigung etwas beytragen kann. Es ist ein Auszug eines

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Mietau
heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
Briefes von HE.
Doct. L.
aus Mietau, den ich vor ein paar Tagen erhalten:

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„Ihr letzter Brief schien mir etwas unwillig zu werden, ich wollte mich

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entschuldigen, ich muß ihnen aber nur aufrichtig sagen, daß die Wichtigkeit der

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Sache mich lange aufgehalten ehe ich mich entschlüßen können weiter darinn

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zu verfahren. Meine eigne Geschäfte gleichfalls. Die Sache selbst ist diese.

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Empfangen Sie alles Vergnügen welches ein wahres Verdienst nur immer

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nach sich ziehen kann – – – kurz der HE. General v. Witt. thut alle nur ersinnl.

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M. W. Fr.
Mein Werter Freund
Schritte um Sie wieder zu haben. Wenn Sie es verlangen, M. W. Fr. daß ich

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in der Sache weiter gehen soll: so sollen Sie bald ein Einladungs Schreiben

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unter den allervortheilhaftesten Bedingungen haben. Das Gehalt sollte

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vermehrt werden. Niedriger Bewegungsgrund pp. Der junge Herr denkt mit

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Thränen an Ihnen, der älteste. Wer hätte das von ihm gedacht; er schüttet

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sein kleines Herz gegen mich aus, welches von 1000 Lobeserhebungen gegen

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Sie v 1000 zärtl. Empfindungen voll war. Ich gestehe es Ihnen daß mich dies

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reisen
Bildungsreise mit den v. Wittens
gerührt hat. Ich weiß, sie lieben pp. Kurz Hoffnung in 2 Jahren zu reisen v

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alles was ich vorschreiben möchte; Erkenntlichkeit vorn und hinten. Ich habe

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hierauf heute geantwortet ohne mich zu erklären. Daß es Ihr Ernst ist, habe

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ich aus eben diesem Antrage, den der Artzt in dortigen Hause der Halbbruder

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des HE. Past. Gericke an mir in ihrem Namen gethan hat.

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Ich kann Ihnen herzlich Geliebteste Eltern, noch nichts vom Verlauf oder

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Erfolg dieser Sache berichten. Sie sey der Vorsehung heimgestellt. Wenn ich

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dahin bestimmt bin; so möge
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sein Wille geschehen. Ich werde nichts thun

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Bruder der Gräfin
Moritz Reichsgraf v. Lacy
um mich einzuschleichen. Der Bruder der Fr. Gräfin ist hier. Ich habe mich

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verspätet; die Post wird gleich abgehen. Ich habe Ihnen dies wenigstens

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melden wollen. Meinem Bruder werde ich nicht schreiben können. Mit nächster

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Post mehr. Ich empfehle meine Herzlich Geliebteste Eltern der Göttlichen

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Obhut, sie wache über Sie und alle das Ihrige. Beten Sie für mich. Ich küße

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Ihnen tausendmal die Hände v bin zeitlebens Ihr

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gehorsamster Sohn Hamann.


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Einlage bitte meinen lieben Bruder sogl. nach Jena zu bestellen. Die

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Aufschrift ist:
à Monsieur Monsieur Hase Maitre des Arts et des belles lettres

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à Jena.
Dürfte ich um das Postgeld bitten? wenigstens biß nach Berl.


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Auf der Adreßseite:

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Mein lieber Bruder Nächstens Dir. Nur ein ander Pittschafft auf M. Hases

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Briefe aufgedrückt.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (27).

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 76–77.

ZH I 123 f., Nr. 50.