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greg. 24.1.1759
Riga den
13
/
24
Jänner 1759.

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Herzlich geliebtester Vater,

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Die Nachricht von Ihrer fortdaurenden Unpäßlichkeit hat uns beyde sehr

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betrübt; ich freue mich aber zugleich, daß Sie sich dem Willen Gottes

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aufopfern. Er wird Ihnen gnädig seyn. Ich bin unter Seiner Gnade entschloßen

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diesen Sonntag zum heiligen Abendmal zu gehen und habe mich

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vorgenommen Montags oder Dienstags darauf, so Gott will und ich lebe, Ihrem

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abzureisen
nach Königsberg; zum Bruch mit den Berens
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Wunsche gemäs abzureisen. Gott wolle mein Herz regieren und mir Kraft

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geben alle Hindernisse zu überwinden und Seinen Willen mir in allem

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gefallen zu laßen. Will Er Sie uns zur Freude und Seegen, noch länger

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erhalten; so wird meine Gegenwart und Ankunfft wenigstens Ihre Genesung mit

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befördern helfen – und da Sie es wünschen und mich nichts abhält, so sehe ich

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es als meine Pflicht an Ihnen gehorsam zu seyn. Ist es Gottes Wille Sie uns

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nicht länger hier auf der Welt genüßen zu lassen: so sey
es
Er Ihnen und

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uns allen gnädig – und ich komme Ihren väterlichen Seegen zu meinem

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künfftigen Leben von Ihren Händen zu empfangen – oder Ihnen auch die letzte

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kindliche Pflicht und Liebe zu erzeigen.

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Gott regiere alles und laße Sie Seiner väterlichen Obhut empfohlen seyn.

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Beten Sie für mich und meinen Bruder, so lange Ihnen Gott noch den Odem

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dazu schenket. Er sey Ihnen und uns allen gnädig um Seines lieben Sohnes

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Jesu Christi Willen Amen! Ich ersterbe mit dem kindlichsten Handkuß und der

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zärtlichsten Ehrerbietung Ihr gehorsamst verpflichtester Sohn.

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J. G. H.


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Von Johann Christoph Hamann (Bruder):

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Herzlich geliebtester Vater!

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So betrübt mir die Nachricht von der Dauer Ihrer Unpäßlichkeit gewesen, so

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empfindlich ist mir der Entschluß des Bruders mich so bald zu verlaßen. Doch die

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Pflicht, die er Ihnen, liebster Vater, schuldig ist, ist der meinigen weit vorzuziehen

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und sein Gehorsam werde durch Ihre baldige Genesung reichlich belohnet. Gott

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begleite ihn und laße ihn mit vielem Seegen und Trost vor Ihnen kommen. Er

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mache ihn und mich zu allem gefaßt, was sein heil. Wille mit Ihnen beschloßen hat.

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So wunderbar derselbe auch öfters ist, so führet er ihn doch herrlich hinaus, damit

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wir ihn erkennen und liebgewinnen lernen. Ueberlaßen Sie sich demselben in Geduld

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und warten Sie auf seine gnädige Hülfe, die Ihre Erfahrung und Ihr Glaube sich

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noch mehr versprechen kann. Vielleicht wird uns neue Gelegenheit gegeben seinen

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Namen für Ihre Erhaltung zu verherrlichen. Gott lenke unterdeßen alles zu unserm

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Besten. Er erhöre Ihr Gebet welches Sie so wohl für sich als für die Ihrigen thun

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Blindau
nicht ermittelt
Carrius
nicht ermittelt
und laße Sie in der Gegenwart meines Bruders Trost und Zufriedenheit finden.

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HE. Blindau, den ich herzl. grüße, wird ersuchet den Brief an HE. Past.
Carrius

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bestens zu besorgen. Ich küße aufs zärtlichste Ihre Hände, die gewiß bis an
Ihr

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das Ende Ihres Lebens für uns beten werden und bin zeitlebens mit kindlichster

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Hochachtung Dero ewig verpflichteter Sohn

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J. C. Hamann.


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Der Brief nach Marienburg wird
unfranqui
rt auf die Post gegeben.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (52).

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 153 f.

ZH I 289 f., Nr. 135.

Zusätze fremder Hand

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Johann Christoph Hamann (Vater)