270
S. 261
Lübeck den
27″
Junii
64.

2
Herzlich geliebtester Vater,

3
Um meine Zeit nicht ganz zu verlieren, die ich weder angenehm noch nützlich

4
verwenden kann, schreib ich Ihnen. Ich habe gleich bey meiner Ankunft mich

5
Braunschw. und Frankf.
Braunschweig und Frankfurt
in Braunschw. und Frankf. angemeldet. So bald ich von dort Antwort

6
erhalte, bin Willens in Gottes Namen weiter zu gehen. Bey HE. Karstens

7
HE. Stack
NN Stack, Schwiegervater von
Johann Nikolaus Karstens
Schwiegervater, HE. Stack bin Sonntags zu Gaste gewesen, war aber

8
froh zu Hause zu kommen, weil keine Gesellschaften lange aushalten kann.

9
Eben dies hat mich abgehalten bisher HE
Roeck
zu besuchen, der

10
gleichfalls bereits verheyrathet ist und seinem Vater, jetzigen jüngsten

11
Bürgermeister richtüber wohnt. Die Acht Tage, ehe ich von Königsberg Antwort

12
erhalten kann, werden mir noch lang genug werden. Gott gebe mir erwünschte

13
Nachrichten von Ihrem Wohlbefinden, und schenke mir Gedult meinen Lauf

14
zu vollenden. Ich find hier überalle nichts als Galle, und selbst das Gute, das

15
man mir
v
erweist, ist mir zur Last. Bey solchen Gesinnungen, die ich weder

16
ergründen noch ihnen abhelfen kann, ist das Leben eine Folter. Unter allen

17
Harre des Herren
Ps 27,14
Bekümmernißen giebt es noch Tröstungen, die meine Seele ergötzen. Harre

18
des Herren, sey getrost und unverzagt und harre des Herren. Hiemit will ich

19
heute schließen, und Sie Göttlicher Obhut empfehlen.


20
den 7
Julii.

21
Ich habe bisher nicht lust gehabt die Feder anzusetzen. Vorgestern erhielt

22
erfreuliche Zuschrift
nicht überliefert
Ihre erfreuliche Zuschrift, die mich ein Paar Stunden aufgemuntert hat.

23
Gott Lob! daß Sie sich wohl befinden und wieder im stande sind ein wenig

24
auszugehen. Eben der gute Gott, der Ihnen bis hieher geholfen, vermehre

25
Ihre Kräfte und stärke Ihre LebensGeister. Heute frühe besuchte mich Herr

26
George Nuppenau
Johann Georg Nuppenau, vll. Feldscher in schwedischen Diensten
Vetter George Nuppenau aus Rhena und wollte mich mit sich nehmen. Ich

27
werde aber keinen meiner Freunde auf dem Lande besuchen können, und bin

28
fest Willens
nächsten Mittwoch
mit der Lüneburgschen Post nach

29
Blutsfreunde
wohl die Familie Rosenkrantz
Braunschweig zu gehen. Herr
Roecks
und alle unsere Blutsfreunde in der

30
Vettern Riese
nicht ermittelt
Mühlenstraße habe endlich besucht. In Vettern
Riese
Hause habe auch viele

31
Freundschaft genoßen, wofür Sie nach Möglichkeit erkenntlich seyn werden. Er ist im

32
Begrif heute oder morgen nach
Travemünde
zu gehen und bringt einen

33
HE Ziegenspeck
Heinrich Ziegenspeck, Stallmeister
gewißen Stallmeister HE
Ziegenspeck
mit, in deßen Umgang ich viel Vergnügen

34
gefunden, und Sie vielleicht gleichfalls besuchen wird. Dem HE
Wagner

35
Mr. Schröder
Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816), Schauspieler und Schauspieldirektor
melden Sie, daß
Mr. Schröder
sich in Hamburg aufhält und der Brief ihm

36
Braunschweig
v.
Gottlob Immanuel Lindner
überschickt worden. Aus
Braunschweig habe keine Antwort erhalten,

S. 262
HE. Geh. Rath von Moser
Friedrich Carl von Moser
worüber
ich mich wundere. Der HE. Geh. Rath von
Moser
hat mir
gleich

2
gemeldet, daß er jetzt in
Cassel
sich in Geschäften aufhält, und eine entlegene

3
Reise thun muß, gleichwol die
No.
seines Hauses in Frankf. angewiesen.

4
Ich wundere mich daher nicht, daß es so dunkel in meinem Gemüthe, wie

5
Brunnencur
Trinken von Heilquellwasser
um mich herum aussieht. Gott wird helfen. Amen. Daß die Brunnencur

6
meinem Bruder beßer bekommen möge, als ich bisher Vortheile von meiner

7
Reise absehen kann, wünsche und gönne ich ihm von Herzen. Da ich keinen

8
Gruß von ihm erhalten, so weiß ich nicht, was für Bewegungsgründe Sie

9
haben mir die Höflichkeit einzupredigen. Wenn er durch
Compliment
e seine

10
Vetterinnen
nicht ermittelt
Gesundheit erhalten kann, so hab ich ihm 2 von meinen beyden Vetterinnen

11
zu übermachen. Ich bin des eiteln Wandels und des Schreibens müde.

12
HE
Karstens
hat mir versprochen alle Briefe zu übermachen, die ich aus

13
Königsberg noch erhalten möchte. Ich empfehle Sie und Ihr gantzes Haus

14
Göttlicher Gnade und ersterbe Ihr treugehorsamster Sohn

15
Joh. George Ham.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (78).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 296–298.

ZH II 261 f., Nr. 270.