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313/2
Kgsberg
Aschermittwoch 65.

3
Herzlich geliebtester Freund,

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Vorgestern ist Ihre geehrte Mama hier gewesen und hat Ihren
Coffre

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eröfnet, wo wir Beylagen alles richtig befunden, und in sichere Verwahrung

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genommen, daß Sie gegenwärtig für alles ruhig seyn können. Materialien

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sind gleichfalls von mir aufgehoben und sollen zu ihrer Zeit an HE.
Zeise

8
Venus Metaphysique
Lindner,
Vénus métaphysique
besorgt werden. Was die
Venus Metaphysique
betrift: so weist Ihr eigener

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Name von
meiner Hand
geschrieben, daß es mir gehört hat und von mir

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neulicher Veranlaßung
vgl.
HKB 274 ( II 271/10 )
bereits aufgegeben, auch mit aller Mühe wie wohl vergeblich bey neulicher

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Veranlaßung allenthalben gesucht worden. Da ich es gern wenn ich ein ander

12
Exemplar
von Ihnen gewis erwarten kann, abtreten will: so finden sich

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gleichwol andere Schwierigkeiten. Der HE
Doctor
hat ein gebundenes

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la Foi […] Venus physique
Daniel Le Fort
,
Maupertuis,
Venus Physique
Exemplar vom
la Foi
geliehen, wo es hinter
Venus physique
gestanden. Er hat

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daher den Band verstümmeln müßen und sich anheischig gemacht es wieder

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in gehörigen Stand zurückzuliefern. Ich habe ihn zwar gebeten der
Mama

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den Band zu übergeben. Sie weiß aber nichts davon. Sie wird sich bey dem

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HE. Cornet Wirth
Friedrich Wirth (gest. 1784)
HE.
Cornet Wirth
darnach erkundigen, dem er es anfängl. zurücklaßen

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wollte. Hat er es, und ich bekomm den Band; so werd ich es erst müßen

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hinten anbinden laßen und die Zurücklieferung besorgen können. Laßen Sie

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aber die gantze Sache bis auf Ihre Heimkunft. Als die
Mama
von uns gieng,

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HE Chollevius
Andreas Cholevius, Bürger im Kneiphof
sprach sie noch bey HE
Chollevius
an um Ihre Stuben zu besehen und Sie

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hat mir gestern Bescheid geben laßen, daß ich nur zuschlagen sollte.

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Antworten Sie nicht bald, so werd ich Ihrem Wort folgen, und ich zweifele nicht,

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daß Sie dabey gut fahren werden. Diese Sache liegt mir recht auf dem

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Thlr
Taler, meist ist der 24 Silbergroschen entsprechende Reichstaler gemeint, eine im ganzen dt-sprachigen Raum übliche Silbermünze.
Herzen, daß ich gern wünschte dieser Sorgen los zu seyn. Wegen der 50 Thlr ist

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neulich vergeßen worden von ihr; ich hoffe daß Sie heute in Beylage daran

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gedacht haben wird. Es war ein Nothfall und Sie haben wenigstens

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Sicherheit in Händen.

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Wegen desjenigen was Sie dem
HE.
Hartknoch mitgegeben, weiß nicht, ob

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ich einigen Antheil daran nehmen soll, und wie Sie es mit ihm abgemacht

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haben; ob es die Mama oder mein Vater empfangen soll. Bekümmern Sie

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sich bey Zeiten darum.

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Ich weiß jetzt nichts mehr liebster Freund, was ich Ihnen noch zu melden

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hätte. Wir haben gestern Fastnacht gefeyert, und erwarten heute gleichfalls

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Elbing
heute Elbląg
eine große Gesellschaft aus Elbing. Gott gebe daß diese herrliche Wirthschaft

S. 314
ein gut Ende nehmen möge und erhalte uns unter allen Abwechselungen des

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Schicksals in seiner Gnade. Mein alter Vater sieht Ihrer Ankunft mit

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Verlangen entgegen, und selbige wird mich auch ein wenig beruhigen oder

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aufmuntern. Ich umarme Sie und ersterbe Ihr treuergebenster Freund und

5
Diener

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Hamann.


7
Grüßen Sie herzlich HE Herder von mir. Leben Sie wohl.

8
Polanger Zolls
Grenzort, nördlich von Memel
Wegen des Polanger Zolls erinnere noch, daß der
erste
Coffre
,
weil er

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geöfnet worden,
frey gegangen
. Wegen des
Kastens
aber, weil selbiger

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versiegelt geblieben
, ließ sich der Fuhrmann gefallen, Ihre Ankunft

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deshalb zu erwarten. Der
letzte
aber war noch schwieriger, und wollte sich zu

12
keiner
Capitulation
verstehen, weil
gleichfalls alles versiegelt geblieben
.

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Thlr
Taler, meist ist der 24 Silbergroschen entsprechende Reichstaler gemeint, eine im ganzen dt-sprachigen Raum übliche Silbermünze.
gl.
Groschen (Silbermünze [ca. 24. Teil eines Talers] oder Kupfermünze [ca. 90. Teil eines Talers]; in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch).
Er hat also einen Thlr gl. empfangen und die Träger 15 gl. Die Qvittung

14
von HE
Zeise
lohnt nicht zu überschicken, sondern mein Vater hat selbige zu

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Ihren übrigen Rechnungen gelegt, wo Sie alles auf einmal übersehen und

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in Empfang nehmen können bey Ihrer Gott gebe glücklichen und immer

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Recidive
Rückfälle
näher anrückenden Ankunft. HE Kanter hat neue
Recidive
bekommen, die

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seine Gesundheit aufs künftige vielleicht in Gefahr setzen könnten. Ich gehe

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so wenig aus, daß ich auch meine nächsten Nachbarn sparsam sehe.

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Ihre beyde
Coffres
stehen in meiner und meines alten Vaters Stube so gut

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als möglich, der eine unter meinem Bett, der andere nicht weit davon. Der

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Kasten aber im Vorderhause an dem sichersten und bequemsten Ort. Einlage

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Schaff
Schrank
hat mein Vater nebst der Leinwand in sein Schaff verschloßen. Ihre

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Tabatieren
Schnupftabakdosen
Tabati
eren haben wir nebst
Etui
und Ohrgehänge und dem Fläschchen in der Lade

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bey dem letzten
Coffre
eingelegt. Sorgen Sie also für nichts als für das

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dortige. Leben Sie wohl.

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Bald das Nöthigste vergeßen. Mit voriger Post habe durch HE.

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Hartknochs Couvert
an Sie geschrieben, und vermuthe daß Sie den Inhalt ms

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Schreibens wißen und selbiges erhalten haben.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (127).

Bisherige Drucke

ZH II 313 f., Nr. 293.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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HE.
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
HE