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Geliebtester Freund,

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Ich übergehe alle die Bewegungen, worinn der für mich so wichtige

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Schreibens
nicht überliefert
Innhalt Ihres letzten Schreibens mich gesetzt hat, und drücke meinen Dank durch

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meine Entschlüßungen aus,
worinn
in welchen ich Ihrem dringenden

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Antheil und Vorschlage zu meinem Glück, an Aufrichtigkeit und Neigung nichts

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nachzugeben gedenke. Glauben Sie, Bester Freund! alle Ihre Anerbietungen

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sind meine höchsten Wünsche, Wünsche, die mir meine Einbildungskraft

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niemals so reitzend und wahrscheinlich hätte
vorstellen
schaffen können, als

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Sie sich Mühe geben mir die Erfüllung derselben durch alle Kunstgriffe der

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Freundschaft und des Witzes annehmungswerth und leicht zu machen.
Ich

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eigne mir
d
ie
er guten Meynung von mir
zu
, womit Sie mich

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aufmuntern,
weil derselben
thut wenigstens der Eyfer, mit dem ich diese schätzbare

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Familie ehre und liebe, ein Genüge
thut
ich eigne mir also selbige zu.

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Kann ich mich aber von der reitzenden Vorstellung, die ich darinn finde, daß

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ich gut genung seyn soll in Ihren Schoos aufgenommen zu werden und an

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Ihren Angelegenheiten Gemeinschaft zu haben kann ich mich von dieser

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Vorstellung wohl so hinreißen laßen ohne Ihren eigenen Bewegungsgründen

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wenigstens meine Bedenklichkeit entgegen zu setzen. Alles macht mich nur

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gar zu geneigt von meiner Seite dem Ruffe, wie Sie ihn nennen zu folgen.

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Ich verlange nichts mehr als den Zweifel gehoben zu sehen, ob man nicht

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vielleicht großmüthiger gegen mich als gegen sich selbst ist. Weil ich eher ich

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weiß nicht was als dies gute Vertrauen auf meine Treue und Ergebenheit

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gegen Sie und Ihre Herren Brüder verscherzen wollte; so wünschte ich

12
wenigstens
nur mit so starker Ueberzeugung von folgenden zwey Puncten

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versichert zu seyn, als ich es von meinen Gesinnungen bin; nämlich

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ob Ihrem Herrn Bruder, der diesen Antrag in Ansehung meiner so geneigt

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aufgenommen, wirklich mit einem bloß ehrlichen Menschen viel geholfen wäre?

16
ob Sie mir mit gutem Gewißen die Fähigkeit Ihm behülflich zu seyn

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einräumen können.

18
Bestimmen Sie mir die Antwort dieser Fragen, Liebster Freund,
etwas

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näher
so nah wie möglich, damit ich Ihrem Herrn Bruder mit eben so viel

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Muth Ja sagen, wie ich es schon mit dem besten Willen gesagt habe.


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Am unteren Rand der ersten Seite:

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Versichern Sie ihn, daß ich
jetzt
es bedaure nicht den geringsten Vortheil

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ihm jetzt aufopfern zu können, da er aber mir die grösten anzubieten im stande

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ist, daß ich mit desto mehr Zufriedenheit und Ehrgeitz Ihm brauchbar und

25
nützlich zu seyn wünsch
te
en müße. Ich kann mich übrigens nicht stärker v

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ähnlicher selbst erklären als wenn ich sage, daß ich unendlich glücklich halten

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würde der Leibeigene eines klugen v rechtschaffenen Mannes zu seyn v eben

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so unglücklich der Günstling solcher Leute die nicht.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 51.

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 103 f.

ZH I 207 f., Nr. 79.