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Geliebtester Freund,

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heute
15.6.1756
Ich bin heute Morgens ohne Ursache übereilt worden. Der HE.
L.
wollte

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wegreisen
aus Meyhof, Gutsbesitz der v. Wittens; wohl Meijas muiža (Maihof) in Jelgava/Mitau, Lettland [56° 39’ N, 23° 42’ O]
sogl. wegreisen; nachher wurde es biß nach der Mittags Mahlzeit verschoben.

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Ich habe unten gespeist v in der Zeit an HE. B. schreiben können, will auch

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noch an Ihnen ein paar Worte beylegen.

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Des HE. Gen. Exc. waren heute bey mir, dankten mir, v. baten mich noch

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besonders auf das beste die Besorgung eines Hofmeisters Ihnen zu

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empfehlen. Ich wurde gestern fast des Nachts, (weil man hier spät schlafen geht,)

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noch einigemal von der Fr. Gräf. beschickt mit einer etwas sophistischen Art,

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der ich bald durchfuhr. Ich würde nicht schreiben; Sie wären noch in Riga

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unbekannt, mein Ansuchen keinen Glauben mehr bey Ihnen verdienen, v

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Sie besorgen einen Fehlstreich durch eine neue Wahl zu thun wie mit der

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vorigen. Man ließ mich noch einmal bitten. Nach einigen Erklärungen, warum

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nicht; aber nicht mehr in meinem Namen. Sehr gut. Ich bekam dafür heute

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einen angemeldeten guten Morgen v Dank dafür von ihr, v von HE G. mündl.

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Ich schreibe Ihnen dieses aus keiner andern Ursache, als weil ich mich v Sie

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am meisten durch Ihre Begegnung in Ansehung desjenigen Menschen den Sie

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sich die Mühe gegeben auszusuchen für beleidigt halte v Ihnen diese

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Genugthuung zu schaffen. Sie werden meinen Brief darnach auch einigermaßen

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eingerichtet finden, so schläfrich v zerstreut ich auch war. Anderer Kleinigkeiten

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jetzt nicht zu gedenken. Die Uhr ist 2. Ich hätte noch Zeit genug zu schreiben.

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Es meldet sich noch niemand. Ich habe den ganzen Mittag geseßen. Eine

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Bewegung bey der leidl. Witterung wird mir nöthig seyn; daher will ich

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aufhören. Ich wünschte daß Sie jemanden fänden; ich habe schon allen

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vorgebaut. Als ein Fremder war ein 2., Sie könnten nicht als auf er. Akad. in Riga

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wählen. Wo es mögl. besorgen Sie jemanden; v antworten Sie bald dem

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HE. Gen. Sie wißen ohnedem, nicht unter meinem
Couvert.
Den Titel können

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Sie von HE
Lieut.
oder
Bassa
erfahren. Er ist nicht Graf. Hochwohlgeborner

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HE. HöchstzuEhrender HE. General Major v Ritter; Ihro Excell. Nennen

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Sie ihn nicht auf dem
Couv. Monsgnr.
Doch das würden Sie ohnedem

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gethan haben. Der HE. Gen. hat mich gebeten s. Haus zu
recommendiren.

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Dies kann ich fügl. thun. Ein jeder anderer würde vielleicht zufriedner darinn

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relato refero
lat. für: Ich erzähle, was ich gehört habe.
gewesen seyn als ich. Und Sie dürfen nur sagen;
relata refero.
Ich küße Sie v.

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Ihr liebes Frauchen herzlich. Leben Sie wohl v lieben Sie mich. Der HE. L. ist

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ein braver Mann, ein wenig rückhaltend. Ich halte ihn für meinen Freund,

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v er giebt sich dafür auch aus. Sagen Sie ihm wenigstens im Scherz, daß Sie

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mich gern in Riga haben wollten. Wenn man mir die geringste Sprünge

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gemacht hatte oder noch machen würde, so bin ich auf alles gefaßt gewesen.

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Da man aber sehr behutsam geht, so will ich mich nach Ihnen richten.

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Unterdeßen wünsche ich von Herzen erlöst zu seyn. So
wenig
viel Sie dazu

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beytragen können, thun Sie es doch. Wenn Sie weniger Vergnügen als Sie

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hoffen von mir haben, will ich wenigstens Ihnen alle Beschwerde zu machen

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beyderseits so vorsichtig als mögl. seyn. Wenn ich ein reicher Kerl werden

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sollte, wie ich mir beynahe bisweilen einbilde, so sollen alle Ihre Kinder die

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meinigen seyn. Leb wohl, ehrlicher Alter! Du und Dein Marianchen. Wie

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vergnügt werde ich die erste Nacht bey euch schlafen. Lebt wohl, lebt wohl!

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Lebt wohl.


4
Auf der zweiten Seite die Adresse:

5
à Monsieur / Monsieur Lindner / mon très cher ami / cet. / à / Riga. / par

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Couv.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (27).

Bisherige Drucke

ZH I 210–212, Nr. 82.