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Erhalten-Vermerk von Nicolai:

23
1773. 2.
Apr.
24 bean. /
Hamann.


24
Kgsberg den 27 März 73.

25
HochEdelgeborner Herr,

26
HochzuEhrender Freund,

27
Ew. HochEdelgebornen werden vermuthlich meine Erklärung in dem 22 Stück

28
der hiesigen gelehrten und politischen Zeitungen gelesen haben. Da wir

29
vielleicht beyde ein wenig zu partheyisch über den Handel des
Ex-Mandarinen

30
mit dem
M. Cölius Serotinus
urtheilen möchten: so mag die gantze Sache

31
den Kunstrichtern, besonders den
neuesten
, zum Zeitvertreibe dienen,

32
wenn
falls es ihrer Mühe lohnt. Wenn der
Ex-Mandarin
die Absicht gehabt mich

33
lächerlich zu machen, oder abzuschrecken: so bin ich ihm gut dafür, daß ihm

34
beydes nicht gelingen
wird
soll. Weder seine chinesische
Caricatur,
noch der

35
rolandsche Tubus irgend eines andern Pseudo-Propheten,
alias

36
Projectmachers, werden mir das Ziel verrücken. Die erste die beste Muße soll meiner

S. 44
kleinen Handschrift gewiedmet seyn, und ich werde alles von meiner Seite

2
thun um den
Durchgang
der
öffentl. Censur
zu erleichtern und die

3
Weißagung des Urgroßvaters –
in nostrae amicitiae memoriam
– ohne sibyllinische

4
Wucherey wahr zu machen. Dies ist alles was ich nöthig finde meiner

5
schriftlichen
und
gedruckten Erklärung
– gegen Sie besonders, als ein Mann

6
von Wort, hinzuzufügen. Ich schließe aus meinem alten ehrlichen

7
Montaigne II. Ch.
17
Qu’on accuse, si on veut, mon project, mais mon

8
progrez
, non –
Erwarten Sie also bey Gelegenheit
des
Mst.
selbst um

9
Schiedsrichter, oder was Sie wollen, davon zu seyn. Mehr können Sie von

10
dem
einem
ehrlichen
und
gleichgiltigen
Autor nicht erwarten, um dem Henker

11
selbst das Maul zu stopfen.
Si Dominus voluerit et si vixerimus, faciemus

12
hoc aut illud.

13
Ich habe innerhalb 6 Wochen meinen Platon zum 2ten mal

14
durchgepeitscht. Seit 10 Jahren, daß mein empyrisches Studium der Griechen

15
unterbrochen worden und fast gänzlich aufgehört, ist mir die Sprache zieml.

16
ungeläufig geworden. Ich habe mich daher gröstentheils an den Faden der

17
Uebersetzung
gehalten und bloß Stellenweise in den Text selbst geguckt. Auf die

18
Woche bin ich willens den
Xenophon
zum ersten mal zu lesen durch und

19
durch. – –

20
Mein kleiner unartiger
Apoll
, der heute seinen 3½jährigen Geburtstag

21
feyert, zupft
mir hier das Ohr
, den M. Cölius
Serotinus
an das sauber

22
gedruckte und mit
Kupferstichen gezierte
Buch zu erinnern. Haben Sie ein

23
wenig Nachsicht für die
Begeisterung
eines etwas
abergläubischen
Vaters

24
– – Warum hab ich nicht eben so viel Recht – als Malherbe, eine alte Magd,

25
zum Oracul meiner Kritick und Autorschaft zu machen. Der Knabe weiß

26
schon seine gantze Bilderbibel
in folio,
sein
Spectaculum
Naturae et artium,

27
das Neue Abcbuch, 50 alte griechische u römische Köpfe und noch einmal so

28
viel Dinge mehr auswendig – Wenigstens ist er auf gutem Wege bald für

29
seinen alten Vater die Stelle eines lebenden
Nomenclat
ors zu vertreten.

30
Wenn eine
Maintenon
oder
Beaumont
sich seiner Erziehung annehmen sollte:

31
so steh ich nicht dafür, daß er nicht alle französischen natürl. Schriftsteller

32
von 7 Jahren bald übertreffen wird.

33
Ew. HochEdelgebohren werden daher so gütig seyn unsere

34
gemeinschaftliche Ungedult zu befriedigen, und den Vater und Sohn den
usum fructum

35
der versprochenen
Beute
zu erlauben, ohne daß dem Eigentumsrecht des

36
Mien-Man-Hoam der geringste Nachtheil daraus erwachsen soll; sobald er

37
sich darnach selbst melden wird; woran ich eben nicht verzweifele. Denn

S. 45
würde er wol die Nummer meiner Hausthür zu seiner
adresse
gewählt

2
haben, wenn er einer der neuen Psevdo-Propheten oder leidigen

3
Projectmacher wäre, die in der Provintz weniger gedeyen als in einer großen

4
Residentz und Hauptstadt wie Ihr Berlin.

5
Um des Himmels willen! Hat das Mährchen von einer gelehrten

6
Zusammenverschwörung oder neuen
Triumvirat
im Reich der deutschen

7
Litteratur einigen Grund? Man redt hier Wunderdinge davon. Sie werden am

8
besten im Stande seyn, mir einiges Licht hierüber zu ertheilen – – Und was

9
sagen Ihre dortigen Sternwärter zur Erscheinung des Mercurs? Man lobt

10
ihren
calculum
– –

11
Ich thue aber, HochstzuEhrender Herr v. Freund! zu viel Eingriff auf Ihre

12
bevorstehende Meßgeschäfte. Empfehlen Sie mich meinem alten Freunde

13
Mendelsohn, dem HE. Prof. Rammler und HErrn Meil und vergeßen Sie

14
nicht gantz, nach verrichter Arbeit, Ihren aufrichtigergebenen Freund u Diener

15
Joh Georg Hamann.


16
Den 28
Mart.

17
Vor langer Weil und
ob fugam vacui.

18
Wenn die Schweitzer unsere
Väter
sind
:
(ich
habe sie blos für
Thürhüter

19
unserer Sprache bisher gehalten) was heist
Zweis
?

20
Wir Preußen sind wie Sie wißen keine
Deutschen;
und seit dem Tode

21
meines letzten Hauswirths, des seel. Baron von Bondely kenne ich keinen

22
Schweitzer mehr in meinem Vaterlande, wo sie vermuthl. das französische

23
Sprichwort:
point d’argent, point de Suisse
vertrieben.

24
Was sind
winzige
Nachtigallen?

25
Außer andern Druckfehlern im Concept des
Ex-Mandarin
hast gestanden

26
orphische Eyer. D. Faust ist ein wenig naseweise und nachläßig. p. Ich hab

27
ihn bereits beym Pluton deshalb belangt.

28
Die beyde Definitionen sind nichts als Schlußfolgen und ohne die

29
praemissen
unverständl.

30
Wißen
und
Thun
sind freylich zwey sehr verschiedene Dinge, aber nicht

31
geradezu das Gegentheil – als durch
Schuld
der
Acteurs
.

32
Wenn
Wunder
und
Zeichen
nicht zur
anschauenden Erkenntnis

33
gehören: so verstehe ich gar nicht, was sehenswerth ist.

34
Ist es Ihr Ernst,
M
l.
Serotine!
Daß man in Berlin nicht
Plus
und

35
Minus
versteht. Sie mögen bey meiner Treu, die weder
punica
noch
prutenica

36
noch
Sinica
ist, Recht haben –

S. 46
Wie hieß das Wort
in
Ludovici.
Ich hab kein deutsch Kaufmanns
Lexicon

2
u. verlang auch keins anzusehen. Wenn Sie mir
le Dictionnaire des Finances

3
par M. Pesselier,
das
Beaumont
in den
Memoires pour servir à l’histoire

4
generale des Finances (Preface XII.)
anführt verschaffen u auftreiben

5
können welches ich seit 3 Jahren umsonst aus Frankr. verschreiben laßen; so

6
bitte es mir zu verschaffen und mit meinem HE.
Gevatter
dort zu bewahren.

7
Meine
Commission
geht höchstens bis 15 Thlr ungefehr. Wenigstens bitte

8
mir eine
Idée
bey Gelegenheit von dem Buche aus. In Eil – Es geht zur

9
Meße.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass Friedrich Nicolai/I/30/Mappe 11, 13–14.

Bisherige Drucke

Otto Hoffmann: Hamann-Briefe aus Nicolais Nachlass. In: Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte I (1888), 127–129.

ZH III 43–46, Nr. 388.

Zusätze fremder Hand

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Friedrich Nicolai

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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1773. […] Hamann.]
Hinzugefügt nach der Handschrift.
44/8
des
Mst.
]
Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): das
Mst.
44/8
progrez
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
progrez
44/17
Uebersetzung
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Übersetzung
44/26
Spectaculum
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Spectaculum
45/18
sind
:
(ich
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sind (ich
45/20
Deutschen;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Deutschen,
45/25
hast gestanden
]
Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): hat gestanden
conj.
45/31
Acteurs
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Acteurs
45/34
M
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
M.
46/1
in
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
im