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Grünhof. den
27 Octobr. 1754.

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Herzlich Geliebtester Vater,

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Briefe
nicht überliefert
Endlich, endlich, endlich bin ich mit einem Briefe erfreut worden, der

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meinem langen Kummer ein geschwindes Ende gemacht hat. Gott erhalte v.

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seegne meine liebste Eltern an Gesundheit v. Gemüthskräften. Wenn ich

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davon v ihrer Liebe gegen mich überführt seyn kann; so würde ich Sie bisweilen

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gern der Mühe überhoben wißen an mich zu schreiben. Ich weiß nicht, womit

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ich den HE.
D.
L. entschuldigen soll; verzeyhen Sie ihm es aber.

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Ich freue mich herzlich über die Nachricht meines Bruders in Ansehung der

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Laute v. warte mit jeder Woche auf Fuhrmann Arensberg. Der Preis

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derselben soll mit dem ersten zurückgeschickt werden. Es liegt an den oder an

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meinen Freund, daß die halbe Blame noch nicht abgegangen; sie ist schon längst

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eingekauft. Wenn sie nicht völlig mit dem andern übereinkommen sollte so

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liegts nicht an mir. Ich habe von dem Gelde, was ich dazu bestimmt, noch

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Thrl. Alb.
Albertsreichsthaler, 1616 in den Niederlanden eingeführt, im 18. Jhd. zeitweise auch in Preußen und Dänemark geprägt; wichtiges internationales Zahlungsmittel im Ostseeraum.
2 Thrl. Alb. zurückbekommen. Laßen Sie sich dies Unterfutter, Liebster Papa,

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auf ein paar Winter gut seyn; vielleicht kann ich Ihnen in der Zeit was

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ungleich beßeres für Sie verschaffen. Gott erhalte Sie nur v mache mit mir, was

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er will. Vielleicht würden Sie mich in der Nähe nicht so lieben als jetzt in der

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Ferne… Ich habe in der Angst um nicht lange gestört zu werden ein Glas

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engl. Bier ausgetrunken, welches man mir unten schickte, weil ich heute zu

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Mittag nicht oben gespeist habe. Vielleicht thut mein lieber M. mit seiner

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Frau um eben diese Stunde ein gleiches bey Ihnen. Es ist Sonntag v. Mittag.

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Es mag Ihnen allen so gut schmecken als mir! v uns allen gut bekommen!!!!!

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Schreibens
von
George Bassa
Ich wiederhole meine Bitte in Ansehung des orientalischen Schreibens;

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Befördern Sie Liebster Papa, die Copey deßelben; ich will die Kosten dafür gut

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thun v. erwarte so bald als mögl. die Nachricht daß es nach Holland

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abgegangen v alsdann eben so bald die Übersetzung davon. Ihre gebrauchte

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Vorsicht das Original nicht auf ein Gerathewohl aus den Händen zu laßen ist

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nöthig gewesen. Kurz ich verspreche mir alles von Ihrer Güte für Ihren Sohn

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v. seine Angelegenheiten.

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Ich weiß daß Sie so gütig seyn v. mit dem Fuhrmann accordiren werden;

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es ist den Leuten natürl. v mit
I
ihnen nöthig unverschämt hier zu seyn, mir

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aber unmögl. Ich leide also allein darunter. Was ich aus guten Herzen gebe,

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thue ich gerne. Dingen Sie aber nicht zu sehr mit Ihnen damit sie nicht

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abgeschreckt werden.

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Ich bin übrigens Gott Lob! gesund; wie ich diesen Winter überstehen werde

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weiß ich nicht. Bey den Gefängnißen hat man Wiesen und Plätze, wo man

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Luft schöpfen kann. Des HE. Rittmeisters Qvartir hat mir voriges Jahr dazu

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gedient. Er ist aber jetzt einige Meilen weiter. Ich habe vor 8 Tagen eine Nacht

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Mietau
heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
bey ihm logirt in Mietau. Was für ein gefälliger Mann! Auf Weynachten

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bin ich ein 8 Tage mit Gottes Hülfe in Riga v noch ein Besuch ist beym

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Schlittenwege in des erstern Winterqvartier zugedacht. Dies ist mein

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Vorrath auf den ganzen Winter; ich kann mich damit behelfen.

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Muhmchen
vll. die Tochter von
Philipp Belger
Mein Bruder wird mir zu einer Antwort von seinem Jgfr. Muhmchen

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verhelfen. Ich kann diesen Dank für meine Mühe von ihm fordern.

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Ich erinnere mich, daß Sie mir von einem Vetter schrieben, der in unserm

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Hause wäre;
s
Sie schienen mit seiner Aufführung zufrieden zu seyn. Ich

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habe bisher vergeßen Ihn grüßen zu laßen. Wiederholen Sie es doch jetzt.

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Ich wünsche daß er die gute Hofnung erfüllen mag, die Sie von ihm gefast

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haben. Ist M. Zink noch bey Ihnen? Was macht das
Zöpfel
sche Hauß? Ist

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Tochter der
Zoepfels
Lorchen artig geworden; wo nicht so wird Sie Gesellschaft an mein gewesenes

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Tochter von
Philipp Belger
Rigisches Muhmchen bekommen, die auch diesen Namen führt. Wenn es mir

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Anna Dorothea, Tochter von
Johann Laurenz Rentzen
nicht an Zeit fehlen sollte; so hoffe ich noch an die Jgfr. Rentzen zu schreiben.

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Mein Bruder hat mich einmal daran erinnert. Unserm ehrlichen HE. Karstens

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Beylage
nicht überliefert
habe geantwortet v ich bitte Beylage an ihn bestens zu befördern.

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Ich schreibe ehstens wieder, empfehle mich Ihrem Gebet, küße Ihnen

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1000 mal die Hände v bin Zeitlebens

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Ihr gehorsamster Sohn.


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Zärtlichste Mutter,

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Vergeben Sie mir den Kummer, den ich Ihnen ohne meine Schuld durch

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mein langes Stillschweigen gemacht habe. Sie versichern mich eigenhändig

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Ihrer schätzbaren mütterlichen Liebe. Diese Zeilen haben höheren Werth bey

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mir als die Ausfertigung des grösten Amtes, was Sie mir wünschen könten.

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Ich danke Ihnen kindlichst dafür. Wenn Ihnen weder der Ehrgeitz noch die

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Geschicklichkeit anderer Söhne schmäuchle, so laßen Sie sich mein gutes Herz

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wenigstens gefallen, welches den Werth der besten Mutter gewiß erkennt und

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Nuppenau
vll.
Johann Peter Nuppenau
Selbige niemals zu verehren aufhören wird. Mein Vetter Nuppenau steht in

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Begriff eingekleidet zu werden; ich wünsche Ihnen bald eben diese

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Zufriedenheit in Ansehung meines Bruders, der Ihre Absichten eher und geschwinder,

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wenn Gott will, wird erfüllen können. Eben dieser gute Gott schenke Ihnen

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Gesundheit und ein zufriednes Herz, Liebste Mama. Ich kann ihm jetzt für

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beydes danken. Seine Vorsicht nehme sich aller unserer Anschläge und Wege

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an! Sie mache diese richtig und jene lauter! Außer dem Beyfall meines

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Gewißens soll mir keiner schätzbarer seyn, als den ich von meinen lieben Eltern

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erhalten kann. Ich ersterbe mit diesen Gesinnungen und mit den Trieben einer

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ewigen Erkenntlichkeit Ihr gehorsamster Sohn.

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Johann George Hamann.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (22).

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 62 f.

ZH I 81–83, Nr. 31.